Nome, Alaska |
„Nome“, so schreibt P. Joseph Bernard S.J., „liegt dem Polarkreise nahe an der Beringstraße. Unsere Mission, Kirche, Schule und Wohnhaus umfassend, findet sich am Meeresgestade.
Hinter uns ragen die nadelspitzen Zacken eines großen Gebirges empor; nirgends ein Baum oder Strauch, ein recht ödes Landschaftsbild. Es heißt, unsere Mission sei die entfernteste von Rom. Jedenfalls ist unsere Verbindung mit dem Mittelpunkt der Christenheit eine sehr schwierige.
Tropisches hat Nome nichts an sich. Selbst im Sommer braucht man nur 1 m tief zu graben, um auf Eis zu stoßen. Darüber liegt goldhaltige Erde, was aber nicht hindert, dass wir sehr ärmlich leben.
Der Winter dauert hier acht Monate. Das ist die Zeit der langen Polarnächte. Erst gegen 10 Uhr hebt Phöbus (die Sonne) soeben seine Nasenspitze über das Eis der Beringsee empor; es scheint ihm aber gar nicht zu gefallen, denn bereits gegen 2 Uhr legt er sich wieder schlafen.
Dafür tut Frau Luna (der Mond) ihr Bestes, um das Benehmen ihres kurz angebundenen Gemahles wieder gut zu machen. Sie wendet uns ihr lachend volles Antlitz zu, strahlend wie ein glühender Pfannenboden. Aber trotz alledem sinkt die Kälte bis auf 50° unter Null herab.
Das Meer hüllt sich Ende Oktober in seinen Eispanzer, der vor Mitte Juni nicht wieder auftaut.
Von Oktober bis Februar gibt’s keine Post hier oben, und wir sind von der zivilisierten Welt völlig abgeschlossen, begraben unter einer dichten Decke von Eis und Schnee. Von Februar bis März geht die Hundepost, die schon einen großen Fortschritt bedeutet. Hunde gibt es hier zu Lande endlos viele; sie vertreten im Winter die Stelle der Pferde.
Diese Hundepost ist folgendermaßen eingerichtet. Die Briefe werden durch Dampfer bis Juneau in Süd-Alaska gebracht. Von dort geht’s dann per Schlitten nordwärts. Die braven Köter haben nicht weniger als 1.000 km weit durch unabsehbare Schneewüste zu laufen, ehe sie Nome erreichen. Die Fahrt dauert zwei Monate. Natürlich geht es auf diesen Postfahrten ohne Unglück nicht ab, und manche Briefe gehen verloren, Gott weiß oft wie. April bis Mitte Juni ist wieder postlose Zeit.
Wenn dann endlich das Meer wieder auftaut, erscheinen die Dampfer und bringen uns Vorräte, Briefe und Pakete. Nun ist auch die Zeit, den Lieben in Europa oder Amerika ein Lebenszeichen zu geben.
Das ist die materielle Seite unseres Lebens hier oben; man gewöhnt sich schließlich daran.
Nun noch ein Wort über unsere Eskimos, derentwegen wir eigentlich hierher gekommen. Die Mission von Nome ist erst vier bis fünf Jahre alt und in erster Linie für die Eskimos dieser Striche gegründet.
Man findet sie längs der ganzen Küste und auch in Sibirien, das uns gegenüber nur 100 km weit entfernt liegt.
Die hiesigen Eskimos gehören dem besten Stamm Alaskas an; friedlich, von Haus aus unverdorben, geweckt und von heiterer Gemütsart, geben sie uns alle Beweise eines wirklichen guten Willens.
Wir zählen unter ihnen jetzt 150 Katholiken. Bitte, machen Sie nur kein schiefes Gesicht; denn so wenig dies scheint, es ist nach Maßgabe der hiesigen Verhältnisse ein sehr schöner Erfolg.
Bedenken Sie, dass unser jetziger Oberer P. La Fortune aus der kanadischen Provinz zwei volle Jahre sich hart plagen musste, um die schwierige Sprache zu erlernen[1].
Erst wenn man sie flüssig spricht, kann das eigentliche Missionswerk beginnen. Seit Ostern hatten wir 40 Taufen zu verzeichnen. Keiner wird getauft, ehe er die Gebete und den Katechismus gut weiß.
Da die Leute aber noch nicht lesen können und Bücher in dieser Sprache erste geschaffen werden müssen, so kostet ihnen dieses Lernen tüchtige Arbeit.
Allabendlich halten wir Christenlehre, wobei uns die Bilder der ‚guten Presse‘ vortreffliche Dienst leisten. Bis jetzt spricht erst ein Pater die Sprache geläufig; ich hoffe, bald der zweite zu sein.
(Aus: die katholischen Missionen, 1907)
[1] Als Probe möge das Ave Maria hier folgen: „Koyèsugin, Mary, ummatin imékaktok nakosuamik, angayutikut illipni ittok; nakosutin arnénin illoknaéni; katunraragin Jesus. – Holy Mary angayutim Arnak, wagut atchiukupta angayuti, karrumaptiut pakmané tchuli tokulrata rupta. Amen.“