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Channel: Die auswärtigen Missionen
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Ein japanisches Lourdes

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Die Lourdesgrotte in Sekiguchi, Tokio (neues Bildhier)


Unweit von Sekiguschi, einer Vorstadt Tokios, befindet sich ein der buddhistischen Göttin Kishi-bozin geweihter Tempel, zu welchem das ganze Jahr hindurch zahlreiche Pilger wallen.
Es lag nahe, diese Freude der Japaner am Wallfahren in christliche Bahnen zu lenken, und so entstand in P. H. Demangelle, dem Leiter des großen Waisenhauses in Sekiguschi, der Gedanke, ebenda ein kleines japanisches Lourdes zu schaffen.
Dank seiner Ausdauer ist dieses Ziel in bescheidenem Maßstabe erreicht worden, und Sekiguschi besitzt seit längerer Zeit eine prächtige, der Unbefleckten Empfängnis geweihten Kirche und seit Mai d. J. auch seine Lourdesgrotte. 

„An der Nordweststrecke des Grundbesitzes“, so lautet ein uns zugesandter Bericht, „dessen sich das Waisenhaus von Sekiguschi erfreut, erhebt sich eine Grotte, welche derjenigen von Massabielle zu Lourdes in Form und Größe vollkommen entspricht.
Auch die Statue der Erscheinungsnische gleicht genau derjenigen, welche seit mehr denn 50 Jahren von Millionen christlicher Lourdespilger gegrüßt wird. 

Diese Grotte wurde am 21. Mai feierlich eingeweiht.
Um 8 Uhr morgens traf der neue Erzbischof von Tokio, Msgr. Franz Bonne, in Sekiguschi ein.
Trotz des Sturm und Regen drohenden Wetters hatte sich bereits eine zahlreiche Volksmenge in den mit Fahnen, Kränzen und Lampions reichgeschmückten Gründen der Mission versammelt. Vor allem waren die Katholiken Tokios von allen Ecken der Hauptstadt herbeigeeilt, die Zöglinge des Marianistenkollegs Stella matutina, die Schulmädchen der St. Maurusdamen und der St. Paulsschwestern von Chartres waren mit ihren Lehrern und Lehrerinnen erschienen.

Um 9 Uhr war die schöne und geräumige Kirche voll zum Erdrücken, so dass viel Volk draußen stehen bleiben musste. Eine große Zahl Heiden folgte ehrfurchtsvoll und aufmerksam der ganzen Feier. 
Nun hielt der Erzbischof in Cappa Magna mit vorangetragenem Kreuz und von zahlreichen Altardienern und dem Klerus umgeben seinen Einzug. Zu seiner Rechten ging P. Rey, der Gründer des Waisenhauses, zur Linken der ehrwürdige P. Droüart de Lézey, so bekannt in ganz Japan durch die zahlreichen von ihm herausgegebenen und überaus segensreich wirkenden Schriften.
Als der Erzbischof die Schwelle überschritt,  klang ihm von der Empore das Ecce sacerdos magnusentgegen. Es war der von P. Demangelle ausgezeichnet geschulte Knabenchor von Sekiguschi, der auch beim Hochamt so schön und kunstgerecht sang, dass man sich in einer der großen Kathedralen der Heimat wähnte.
Den Altar umgaben mehr als dreißig rot und violett gekleidete Altardiener und zehn Priester.

Die während der Messe gespendete Generalkommunion gab dem Tag seine übernatürliche, hohe Weihe.
Die Festrede hielt P. Droüart de Lézey mit der ganzen zündenden Beredsamkeit eines wahren Apostelherzens. Er sprach der Feier entsprechend über die Gnadenvorgänge und Wunder von Lourdes. 

Nun setzte sich die Prozession zur Grotte in Bewegung. Am Himmel standen dichte Wolken, die einen willkommenen Schutz gegen die in Japan so glühende Maisonne boten.
Voraus zog, religiöse Märsche spielend, die Blechmusik der kaiserlichen Garde, deren Kapellmeister ein Katholik ist.
Am Ende des langen Zuges schritt der Erzbischof, das Ideal einer majestätischen Priestergestalt, im vollen Ornat mit Mitra und Stab, umgeben von den Altardienern, Priestern und Kirchenratsmitgliedern sämtlicher sechs Pfarreien Tokios, die ihrem Oberhirten das Ehrengeleit gaben.

Als die Prozession von der Grotte Aufstellung genommen hatte, glaubte man wirklich in Lourdes zu sein. Der Erzbischof segnete mit der ihm eigenen Würde die Grotte und Statue ein. Es folgten Lieder und Gebete und dann eine zündende Ansprache des P. Demangelle. 4.000 Meilen trennten Japan von der wunderbaren Grotte von Massabielle, der Stätte so vieler Ganden und Segnungen. Sekiguschi sollte einen kleinen Ersatz dafür bieten. Auch dieser Ort solle für Japan ein Gnadenort werden. Hierher würden die katholischen Japaner mit ihren Schmerzen, Sorgen und Bitten kommen. Ein ergreifendes Gebet für Japan und seine Bekehrung zum wahren Glauben schloss die Rede.
Nun stiegen aus 2000 Kehlen der ringsum knienden Mengen das Rosenkranzgebet und Memorarezum Himmel empor, worauf der Erzbischof von dem Festaltar aus feierlich den oberhirtlichen Segen erteilte.
Kaum war das Amen verklungen, als die herrliche, von Gounod komponierte Papsthymne erbrauste: Viva, viva, Pio, Padre nostro e Papa. Al nostro amor lo conservi il cielo. Sie klang wie ein lauter Gruß der japanischen Christen an den geliebten Oberhirten der Kirche.
(…)
Als man abends um 7 Uhr wieder zur Kirche ging, fielen einige Tropfen und weckten die Besorgnis, dass die Lichterprozession, welche den Tag krönen sollte, ausfallen werde.
Die Kirche war gefüllt wie am Morgen. Der Altar schimmerte im Lichterglanz, von der Höhe klang wie von Engelsstimmen der Knabenchor.

Gegen Ende der feierlichen Segensandacht warf man einen besorgten Blick hinaus. Gott sei Dank, das Wetter war gut. Kein Tropfen fiel, aber der Himmel war stark bewölkt und der Abend dunkel, also wie gemacht für eine Lichterprozession.
Rasch wurde der Zug geordnet, die Kerzen verteilt und angezündet, und in langer Spirallinie zogen 700-900 Christen langsam durch die mit Kränzen, Fähnchen, glühenden Lampions geschmückten Gründe und näherten sich unter Absingung des Ave Maria von Lourdes und des Laudate, Laudate Mariam zu der ganz im Dunkel liegenden Grotte.

Das war von P. Demangelle, dem geschickten Festordner, absichtlich so gewollt. Der Grund zeigte sich gleich, als die vielen hundert Lichter sich im Kreise um die Grotte ordneten. Diese und das Bild der Unbefleckten leuchteten jetzt im Widerschein der zahlreichen Flämmchen auf und schimmerten in einem gedämpften einzigartigen Glanze, wie ihn die schönste direkte Beleuchtung nicht hätte erzielen können. Wie die Wolken am Morgen die glühende Sonne, so verhüllten sie jetzt den Mond, dessen heller Schein die herrliche Wirkung der Lichterprozession beeinträchtigt haben würde.

P. Mayrand, einer der besten Redner der Mission, hielt eine etwa 20 Minuten dauernde Ansprache, die alle Herzen in Bann schlug. Dann ertönten neue Lieder, neue Gebete. Wäre nicht die dichtgedrängte heidnische Volksmenge im Hintergrund gestanden, man hätte wirklich fest geglaubt, in Lourdes zu sein.“
Soweit der Bericht. Schon jetzt beginnen die Christen eifrig die Grotte besuchen, und es ist zu hoffen, dass die Erwartungen, die man an die Lourdesgrotte von Sekiguschi knüpft, sich wenigstens zum Teil erfüllen.

(Aus: die katholischen Missionen, 1912)

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