Am 13. November stand im Pfarrhaus von Oleggio in Oberitalien um das Paradebett einer noch jugendlichen, in den bischöflichen Ornat gekleideten Leiche ganz in Schmerz aufgelöst eine Gruppe von Missionären. Sie hatten Grund zur Trauer, denn der Tod hatte hier plötzlich und jäh ein Leben geknickt, an das sich die freudigsten Hoffnungen geknüpft hatten. Es war Msgr. Enrico Stanislao Verjus, Koadjutor des Apostolischen Vikars von Neu-Guinea, Msgr. Navarre, und Mitglied der Missionsgesellschaft vom heiligsten Herzen von Issoudun (Herz-Jesu-Missionare).
Ein eigentümlich rührender Zug durchzieht das kurze Leben dieses jüngsten aller katholischen Bischöfe. Geboren am 26. Mai 1860 in Oleggio am Fuße der Alpen, trat der kleine Savoyarde, kaum 12 Jahre alt, in die Missionsschule des göttlichen Herzens in Cehzal-Benoit bei Issoudun. Unschuld, innige Frömmigkeit und ein überaus heiterer, liebenswürdiger Charakter machten ihn schon damals zum Liebling des Hauses. Er war es, der seine kleinen Kameraden zum gemeinsamen Entschluss vereinigte, täglich während der heiligen Wandlung um die Gnade des Martyriums zu beten. Kaum zum Priester geweiht, bot er sich begeistert für die Missionen in der fernen Südsee an, die seit 1881 der jungen Kongregation übergeben worden waren. Bereits liegt der Dampfer im Hafen zur Abfahrt bereit; da plötzlich wirft eine schwere Krankheit den jungen Missionär aufs Totenbett. Alle Hoffnung schien verloren. Fast in den letzten Zügen liegend, machte er das Gelübde, wenn Gott ihm die Gesundheit wiederschenke, sein ganzes Leben rückhaltlos im Dienste der armen Insulaner zu opfern. Er genas und konnte schon mit dem nächsten Dampfer abreisen. Auf der Insel Bourbon traf er die ihm vorausgeeilten Brüder im Spital und machte nun mehrere Wochen den liebevollen Krankenpfleger.
Endlich im Januar 1885 landete man in Sydney. Neue unerwartete Hindernisse stellten sich hier dem Plan entgegen, die Mission auf Neu-Guinea sofort zu beginnen. Da unternahm der feurige junge Missionär, voll heiliger Ungeduld, das große, an Naturschönheiten so reiche, aber noch ganz in Götzendienst versunkene Inselland, sein eigentliches Missionsfeld, recht bald zu betreten, im Jahre 1885, von nur zwei Brüdern begleitet, auf einer einfachen großen Fischerbarke jene kühne Fahrt, die er uns selbst in seiner lebendigen Darstellungsweise erzählt hat. Drei Tage wurden sie auf stürmischer See umhergeworfen, jeden Augenblick des Todes gewärtig. Eine weiße Taube, die sich müde auf die Segelstange setzte, kündete ihnen endlich die Nähe des Landes, und bald darauf rief einer der Brüder: „Neu-Guinea! Neu-Guinea!“ Wirklich, da lag das Land der Verheißungen vor ihnen, und Freudentränen traten in ihre Augen.
In einer wunderschönen, von Bergen umgürteten Bucht (Hall Sound) warfen sie am 30. Juni Anker. P. Verjus nannte sie zu Ehren des glorreich regierenden Papstes Port Léon und beschloss, auf der den Eingang der Bucht beherrschenden Insel Roro oder Jula die erste Missionsstation zu gründen. Am 4. Juli las er dort unter Tränen der Rührung die erste heilige Messe. Nun folgten drei Monate der härtesten Entbehrungen. Rasch waren die kleinen Vorräte aufgezehrt, und die drei Missionäre litten die bitterste Not. Oft lagen alle drei gleichzeitig fieberkrank auf einem Heulager in einer Hütte, die sie kaum gegen die Witterung schützte. Aber mitten in diesen Prüfungen verlor P. Verjus nie seinen Mut und sein kindlich frommes Gottvertrauen. Immer wusste er durch einen heiteren Scherz die Brüder wieder aufzurichten. Bäume wurden im Urwald gefällt und mit unsäglicher Mühe auf eine Anhöhe geschleppt, wohin die kleine Kapelle zu stehen kam.
Die gewinnende Freundlichkeit des jungen Schwarzrocks hatte rasch das Zutrauen der Insulaner erobert. Aber schon eröffneten sich dem eifrigen Priester die frohesten Hoffnungen, als im September eine halb gewaltsame Entführung durch das protestantische Missionsschiff erfolgte, die wir im Jahrg. 1886 erzählten. Mit Tränen schied der Missionär von dem liebgewordenen Eiland, und klagend folgten die Insulaner der Schaluppe bis ins Wasser hinein und riefen noch von ferne im nach: „Komm bald zurück, Mitzianari (Missionär), komm bald zurück und vergiss nicht deine Söhne von Roro!“ Selbst die rauen Seeleute des Dampfers waren bewegt und sagten: „Diese armen Leute wissen recht gut, wer ihre wahren Freunde sind.“
Glücklicherweise dauerte die Verbannung nicht lange. Im folgenden Jahr bereits kehrte P. Verjus mit Erlaubnis des neuen, den Missionären günstig gesinnten englischen Gouverneurs nach Roro zurück und zog, wie er schreibt, „fröhlich wieder in den Leo-Hafen ein“. Er fand seine Hütte geplündert und die Insulaner durch die Anwesenheit eines protestantischen Missionärs gegen sich eingenommen. Aber in kurzer Zeit waren die Herzen wieder gewonnen, und rasch wuchs nun eine kleine Christengemeinde heran. Von der Insel aus wurde nun auch das Festland in Angriff genommen. P. Verjus entdeckte den großen schönen St. Josephsfluss, der eine treffliche Wasserstraße ins Herz des Landes bildet und an welchem zahlreiche Dörfer liegen. „Wir besitzen nichts, und haben trotzdem auf Neu-Guinea mehr Länder entdeckt und den Wilden mehr Gutes getan als die berühmten wissenschaftlichen Forschungsreisen, die 4000 Pfd. Sterling verschlangen.“ So konnte P. Verjus mit Recht sagen.
(Aus: die katholischen Missionen, 1893)
Fortsetzung folgt...