„Capuchin House“ in Port Victoria (Henning Leweke) |
Neunundzwanzig nördlich von Madagaskar im Indischen Ozean zerstreute Inseln werden unter dem Namen Seychellen zusammengefasst. Sie stehen unter englischer Herrschaft und bilden kirchlich ein eigenes Bistum. Der Name Seychellen kommt im eigentlichen Sinn nur der nordöstlichen Untergruppe zu; dort liegt auf dem Eiland Mahé die Hauptstadt Port Victoria, zugleich Sitz des Bischofs. In südwestlicher Richtung schließen sich die Amiranten, dann die Cosmoledo- und Aldabrainseln an. Unter den 29 Eilanden sind nur 20 bewohnt. Alle zusammen haben einen Flächeninhalt von nicht mehr als 490 qkm und sind durch weite Meeresstriche geschieden. Um von den eigentlichen Seychellen aus bis zu den Amiranten zu gelangen, braucht es eine Reise, die weiter ist als eine Rheinfahrt vom Boden- bis zum Zuydersee. (…)
1909 Betrug die Zahl der Bewohner 22.049. Die Bevölkerung besteht aus Negern, Madagassen, Indern, Chinesen und Europäern; ihre Sprache ist eine französische Mundart. Der größte Teil, 21.588 Seelen, gehört der katholischen Kirche an. Die Lebensweise ist meist anspruchslos. Von den Bewohnern der Amiranten wird als Kleidung ein leinernes Lendentuch getragen. In ihrer ärmlichen Hütte findet sich nichts als eine Schlafmatte, ein Stuhl, eine Pfanne und zwei oder drei Teller. Reis und Fisch stehen an jedem Mittag und jedem Abend des Jahres auf dem Speisezettel.
Als die Seychellen 1742 von den Franzosen besetzte wurden, waren sie unbewohnt. Die Franzosen errichteten eine Strafansiedlung und gestatteten die Benützung der Inselflur als Hauptstützpunkt des ostafrikanischen Sklavenhandels. 1794 bemächtigten sich die Engländer der Eilande. 1833 wurden auf den Seychellen wie im ganzen britischen Reich die Sklaven freigelassen.
1846 schickte Südabessiniens Oberhirt, der Kapuzinerbischof Massaja, den verlassenen Siedlern einen Priester seines Ordens; dieser wurde mit großer Freude aufgenommen. Seit 1852 war das Gebiet eine selbstständige Präfektur, 1880 erhob es der hl. Stuhl zum apostolischen Vikariat und 1892 zum eigentlichen Bistum. Die savoyischen Kapuziner stellten den Bischof und sämtliche Priester. Seit 1903 kamen die Schweizer Kapuziner ihren durch die Unterdrückung des Ordens in Frankreich schwer geschädigten Brüdern zur Hilfe, und 1922 wurde ihnen das ganze Gebiet als Arbeitsfeld übertragen. Gegenwärtig befinden sich 15 Priester auf 12 weit über die Inselflur zerstreuten Niederlassungen.
Drei Priester wohnen unter den etwa 7.000 Einwohnern von Port Victoria. Hier hat der gegenwärtige Oberhirt die stark verfallene bischöfliche Kirche wieder herstellen lassen. Wesentliche Dienste leistete ihm hierbei Bruder Bonaventura Pythen, ein hervorragender Kirchenmaler; doch starb dieser schon nach anderthalb Jahren als noch junger Mann an den Folgen seiner Überanstrengung. Jeden Sonn- und Feiertag wird in dem erneuerten Gotteshaus unter großem Zulauf des Volks gepredigt und Christenlehre erteilt. Jeder Gemeinde soll mit der Zeit eine vierzehntägige Geisteserneuerung zuteilwerden, die bisher gehaltenen hatten gute Erfolge.
Die 16 katholischen Volksschulen werden von 13 Maristenlehrbrüdern, 40 europäischen und 14 einheimischen Schwestern sowie 7 eingeborenen Lehrern versehen. Die Zahl der Schüler beträgt 977, die der Schülerinnen 1134. Dazu besitzt der Sprengel Port Victoria eine höhere Schule mit 222 Zöglingen. Der Ruf dieser Anstalt ist so gut, dass auch aus Mombasa, Sansibar, Nairobi und Daressalam Eltern ihre Söhne ihr zugesandt haben. Eine katholische Töchterschule, ebenfalls in der Hauptstadt, zählt 134 Zöglinge. Für die Kranken sorgt die Kirch durch Unterhaltung von 4 Krankenhäusern und 179 Betten.
Noch bleibt viel zu leisten, und die Schwierigkeiten sind groß. Zunächst die langwierigen, ermüdenden Reisen. Zwischen Mahé und den Amiranten besteht bloß für alle 6 oder 8 Monate ein regelmäßiger Verkehr, aber nur mittels sehr gefährdeter Segler. Erst in diesem Jahr war es den Bewohnern der Amiranten vergönnt, einen Priester unter sich zu sehen. Die meisten der Leute sind getauft, auch finden sie immer wieder Gelegenheit, zur Erfüllung ihrer Christenpflichten eine der Niederlassungen auf Mahé aufzusuchen. Aber viele bleiben immer daheim. Dass ein betagter Neger oder ein altes Negermütterchen zum ersten Mal zum Tisch des Herrn tritt, ist auch im Greisenheim von Port Victoria nicht so selten.
Die größte Schwierigkeit liegt in der Geistesart der Leute selbst, in ihrer Weichheit und ihrem Wankelmut. (...) Schlimmer ist die Abneigung der ganzen Bevölkerung vor den Banden der christlichen Ehe. Die Ordnung wilder Ehen ist eine der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben des Seelsorgers. Doch sind auch auf diesem Gebiet schöne Erfolge zu buchen.
Anfeindung findet die Kirche nur von Seiten der Protestanten. Diese, 2586 an der Zahl, sind sehr rührig und suchen namentlich die Schwarzen durch Geld an sich zu ziehen, aber ohne viel nachhaltigen Erfolg. Dagegen sind neustens wieder eine Anzahl von Protestanten und Heiden der Kirche beigetreten, unter jenen der hochangesehene Vertreter einer Handelsgesellschaft. Die Erfolge der Katholiken erregten unter den Anglikanern großen Neid. P. Aloys Crausaz zu Port Victoria wurde vor einem von jener Seite drohenden Mordanschlag gewarnt. Bald nachher fand man P. Theophil mit eingeschlagenen Rippen und gebrochenem Genick an einem Ort, wo ein Unglücksfall ausgeschlossen ist. Nach P. Aloys steht eine Ermordung außer Zweifel. Beim geringen Bildungsgrad der Seycheller wäre ein Mord um des Glaubens willen nicht so auffallend, doch wird es gut sein, über Tat und Täter neue Aufklärung abzuwarten.
Heiden gibt es im Gebiet des Sprengels 282, meist Inder und Chinesen; dazu kommen 73 Mohammedaner. Viele Nicht-Christen schicken ihre Kinder in katholische Schulen, manche Muselmänner verrichten christliche Gebete, aber der Übertritt hält schwer. So steht auch das schwach bevölkerte Bistum der Seychellen vor manchen noch ungelösten Fragen.
(Aus: die katholischen Missionen, 1925)