Andächtige Christen! Erinnern wir uns recht oft dieses bedeutungsvollen Wortes, das wir heute aus dem Munde des Heilandes vernommen haben: „Mich erbarmet des Volkes.“
Gedenken wir dabei auch jener großen, unzähligen Völkermassen der Heiden, die sein mitleidsvoller Blick damals betrachtete! Dieser schmerzerfüllte Seufzer des Heilandes ist nicht fruchtlos geblieben; gedrängt durch sein Erbarmen, hat er die heilige Kirche gestiftet, und ihr Missionswerk ist des Heilandes Erbarmungstat unter den Heiden. So war es Christi heiliger Wille, der selbst seiner Kirche den hohen Auftrag dazu gegeben hat; so war es tiefernste Überzeugung der heiligen Apostel, die hinausgegangen sind bis an die Grenzen der Erde und in diesem großen Werke selbst ihr Leben eingesetzt haben; so hat es unsere heilige Kirche erfasst, die zu jeder Zeit, bis zu dieser Stunde mit rückhaltloser, liebevoller Hinopferung dem Bekehrungswerke der Heiden sich gewidmet hat.
Und so müssen auch wir das Missionswerk unserer heiligen Kirche auffassen: als das Werk des Heilandes, der sich der armen Heidenvölker erbarmt hat. Andächtige Christen! Stellen auch wir uns in den Dienst dieses großen Werkes, soweit unser Beruf und unsere gesellschaftliche Stellung es zulassen; ja, arbeiten auch wir mit zur Verwirklichung dieser großen Erbarmungstat des Heilandes, damit die Menge der Heidenvölker nicht darbend verschmachte auf ihrem Lebenswege, sondern einst glücklich hingelange „nach Hause“, in den Himmel, unser gemeinsames Vaterhaus! Amen.
– P. Stephan Dillmann O.M.I.
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)