Msgr. Francesco Domenico Reynaudi O.F.M. Cap., Apostolischer Vikar von Sofia und Plovdiv |
Die sklavische Furcht der Einwohner [Bulgariens] vor der osmanischen Regierung hemmte wie eine Kette die Entwicklung des kirchlichen Lebens. Die Kirchen glichen ärmlichen, strohbedeckten Hütten, die Wohnungen der ersten Missionäre einer Spelunke. Erst als nach dem Krimkrieg der Vertrag von Paris (30. März 1856) die Gleichstellung der Christen in der Türkei mit den Anhängern des Islam ausgesprochen, fielen die lästigen Fesseln wenigstens einigermaßen.
Mit Hilfe der Almosen von Europa wurde nun sofort mit dem Bau von Kirchen, Missionshäusern und Schulen begonnen. Aber an das Geläute christlicher Glocken hatte sich das türkische Ohr noch nicht gewöhnen wollen; es war strenge verpönt.
P. Francesco [der spätere Msgr. Reynaudi O.F.M. Cap.] wusste Rat. Mit einer Ministrantenschelle ging er durch die Straßen der Stadt in das Viertel der Katholiken und rief so zum Gottesdienst. Als die Sache ungeahndet ablief, wurde er mutiger und schaffte eine größere Schelle an. Wieder blieb alles ruhig. Nun hing man ein Glöcklein an die Kirchenmauer, und als auch dieses unerhörte Wagnis trotz aller Warnungen ängstlicher Freunde glücklich ablief, wurde das Glöcklein zur Glocke, und schließlich erhielt dieselbe auch einen Turm.
(Aus: die katholischen Missionen, 1894)