Andächtige Christen! Die Erschaffung und Erhaltung aller Menschen, das ist der erste Rechtstitel, auf den hin Gott auch die Verehrung aller Menschen zu beanspruchen hat. „Seid still und schauet“, lässt er uns durch den Mund des Propheten sagen, „ich bin Gott; ich will erhöht sein unter den Völkern und erhöhet auf Erden!“ (Ps. 45, 11). Was bedeutet nun diesem Rechtstitel gegenüber das Heidentum? Diesem göttlichen Rechtstitel gegenüber bedeuten die 900 Millionen Heiden [Zahl von Anfang des 20. Jahrhunderts], die wir heute noch zählen, eine nicht auszusprechende Rechtsverletzung. „Ich bin der Herr, dein Gott; du sollst keine fremden Götter neben mir haben. Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen, um dasselbe anzubeten.“ So hat der Herr gesprochen. Und mehr als die Hälfte der heute lebenden Menschen betet Götzen an! Diese 900 Millionen Heiden bedeuten einen Zustand dauernder Revolution gegen Gott. Dort, wo Gott herrschen sollte, in den Herzen und Ländern der Heiden, ist er, der wahre Gott, von seinem Throne herabgestoßen und wird der Hochverrat des Götzendienstes verübt.
Daran müssen wir denken, andächtige Christen, wenn wir uns die Frage vorlegen, ob denn die Heidenmission wirklich eine so wichtige Sache ist, wie die Missionäre es uns sagen. Ob man die feingebildeten Inder, die strebsamen Japaner und Chinesen, ob man die Neger Afrikas und die Wilden der Südsee nicht lieber in Ruhe lassen sollte; ob wir nicht unser Geld besser verwenden können, als es den Bestrebungen der Missionäre zu opfern?! Ach, die Missionäre, um die handelt es sich ja gar nicht. Um Gott handelt es sich! Der hl. Franz Xaver sagt es in seinem Gebet für die Bekehrung der Ungläubigen: „Siehe, o Herr, wie die Hölle dir zur Schmach mit diesen Seelen erfüllt wird!“ Das ist es, was auf dem Spiele steht: Soll Gott Ehre ernten oder Schmach? Soll Gottes Reich auf Erden errichtet werden oder das Reich Satans? Das ist eine Frage, die unter Christen nicht gestellt werden darf.
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)