Fortsetzung von hier
Das waren freudige Tage voll Sonnenschein und froher Hoffnung. Siegesgewiss verkündeten damals bereits viele Stimmen den Übertritt von ganz Bulgarien.
Msgr. Sokolski hatte in Rom häufig dieselbe Hoffnung kundgegeben, ja den Papst schon um Errichtung eines eigenen bulgarischen Patriarchats gebeten.
Was würde er wohl gesagt haben, hätte er in jenem Augenblick in die Zukunft schauen und die frohen Hoffnung fast alle zerronnen, sich selbst in den Gefängnismauern eines russischen Klosters erblicken können!
Die Union hatte eben gewaltige Feinde; namentlich machte Russland verzweifelte Anstrengungen, um sie zu erdrücken. Seit langen Jahren hatte es gearbeitet, weder Geld noch Mühe gespart, um die religiöse Bewegung in Fluss zu bringen, und jetzt hätte es die Früchte seiner Anstrengungen widerstandslos der gehassten römischen Kirche überlassen sollen? Daran war nicht zu denken. Dazu kamen dann noch die Schwierigkeiten von Seiten der nicht übergetretenen Geistlichen, die als weltliche Beamte ihrer Nation so mächtig waren und so oft bewiesen hatten, dass sie zu allen Schlechtigkeiten fähig seien.
Also Feinde ringsum! Und die Freunde? Sympathie fand die Union freilich bei den Katholiken von ganz Europa, aber nirgends fand sich ein mächtiger Staat, der seinen Einfluss und seine Hilfsmittel für sie in die Waagschale geworfen. Und doch wäre eine tatkräftige Unterstützung so notwendig gewesen. Fast überall waren nämlich die Unierten in der Minderzahl, verloren also mit dem Übertritt alle Kirchen.
Ferner fehlte es an Schulen, um die Jugend zu unterrichten, an Zeitungen, um den Verleumdungen der gegnerischen Presse entgegenzutreten, und endlich, was am meisten zu beklagen war, es mangelte an bulgarisch redenden Priestern.
Viele Dörfer, welche die Union und einen Missionär verlangten, konnten mit einem solchen nicht versehen werden. In den Augen vieler der Übergetretenen selbst war zudem die Union nur ein Werk der Politik, ein Schachzug, um zugleich den Griechen und den Russen zu entgehen und die eigene Nation zu Ehren zu bringen; sie wurden kalt gegen Rom, als sich ihre nationalen Hoffnungen nicht erfüllten.
Kein Wunder also, wenn die Union, statt fortzuschreiten, zurückging. Verwirrung, Misstrauen, Missstimmung griffen allmählich um sich, als plötzlich das Ereignis eintrat, das wie der Todesstoß für das so hoffnungsvoll begrüßte Werk schien.
Am 5. Juli 1861 erhielt die Propaganda in Rom ein Telegramm des Inhalts: „Der vor Kurzem geweihte Erzbischof Sokolski, der Führer der bulgarischen Union, ist spurlos verschwunden.“
Wo war er? Was bewog ihn zur Flucht? Wohin hatte er sich gewendet? Und wenn er wirklich, wie man gleich vermutete und wie es sich bestätigte, nach Russland gegangen war, ging er freiwillig oder gezwungen dorthin? War er der Union treu geblieben oder hatte er seine Überzeugung verkauft?
Letzteres schien den Meisten unglaublich; denn vor seiner Weihe hatte man ihm vergebens ungeheure Summen für den Abfall geboten. Einige meinten, man habe den Erzbischof unter dem Vorgeben, ihm Geld zu leihen, auf ein Schiff gelockt und dann nach Russland in die Verbannung geschleppt.
Kurz vor seinem Verschwinden hatte man ihn nämlich aus dem Palast des russischen Gesandten treten und bald darauf das Dampfboot nach Odessa besteigen sehen.
Andere vermuteten Schlimmeres, und zwar deshalb, weil der Erzbischof schon seit längerer Zeit mit russischen Agenten verkehrt hatte, weil er samt seinen Insignien und den päpstlichen Bullen verschwunden und sein Pope Theodor ihm nach Russland vorausgeeilt war. Wie man behauptete, lebte er später als Gefangener in einem orthodoxen Kloster des Gouvernements Cherson, wo niemand ihn besuchen und sprechen durfte.
Nach zehn Jahren sei er wieder einmal in Chelm aufgetaucht, wo er unierten Klerikern die Priesterweihe erteilte, übrigens aber nach der Feier gleich wieder verschwunden sei, ohne mit jemandem ein Wort gewechselt zu haben.
(Aus: die katholischen Missionen, 1885)
(Aus: die katholischen Missionen, 1885)