Fortsetzung von hier
Eine Szene, wie man sie anderswo kaum erlebt, ereignete sich beim Baseball-Spiel am Abend. Eben hatte der Schläger einen seiner „Flieger“ hoch in die Luft gesandt und zahlreiche flinke Hände richteten sich begierig empor, um ihn zu fangen, als plötzlich die Angelusglocke zu läuten begann. Sofort sanken die Hände nieder; der Ball ging ungestört seinen Weg, alle Spieler und Zuschauer aber sanken auf die Knie und beteten mit entblößten Häuptern andächtig den englischen Gruß. Die Religion geht allem anderen vor. Vor Jahren kamen einige Vertreter der nordamerikanischen Indianerkommission hierher und wohnten einer feierlichen Ratssitzung bei. Sie waren nicht wenig erstaunt, als die Rothäute mitten in der Verhandlung ohne vorhergehende Warnung wie ein Mann auf die Knie fielen und einige Zeitlang still im Gebet verharrten. Wieder war es die Angelusglocke gewesen.
Der hohe Sinn der Indianer für strenge Sittenreinheit ist beispielsweise durch folgenden ebenso wackeren als lehrreichen Zug gekennzeichnet. Einer der Halbbluts – es sind ihrer auf der ganzen Reservation höchstens ein halbes Dutzend – verließ seine rechtmäßige Frau, verschaffte sich von der weltlichen Behörde einen Scheidebrief und nahm eine andere. Die Indianer erhoben Widerspruch und erklärten dem Agenten, sie würden derartiges in ihrer Reservation nicht dulden. Der Agent machte geltend, dass das Paar in gesetzlicher Form geschieden sei und daher nicht weiter belästigt werden dürfe. Ihre Antwort lautet: „A. hat sein Eheweib verlassen und eine andere Frau genommen; unsere Kinder wissen es, sie sehen täglich das rechtmäßige Weib des A. und bemerken, dass dieser mit einer andern lebt. Wir wissen nichts von den Ehescheidungspraktiken des weißen Mannes, wir wissen nur, dass unsere Kinder dieses Ärgernis vor Augen haben, und darum müssen die Schuldigen um jeden Preis aus der Reservation fort.“ In der Tat musste das saubere Paar weichen. Und nun bedenke man, dass die Pfriemenherzen vor ca. 60 Jahren noch Heiden und hartnäckige Polygamisten waren.
Alljährlich hält der ganze Stamm gemeinsam die Novene vor Weihnachten, Ostern, Fronleichnam und dem Herz Jesu-Fest ab. Während dieser Novene siedeln sie mit Weib und Kind in ihre Hütten im Missionsdorf über und kehren erst nach Ablauf aller Andachten nach Hause zurück.
Es versteht sich von selbst, dass das Leben dieser Indianer musterhaft, ihre Sitten tadellos und ihr Beispiel ein solches ist, dass wir weißen Christen vor Scham und Verdemütigung unsere Köpfe hängen lassen müssen.
Die Häuptlinge der Pfriemenherzen üben in ihrem Stamme gleichzeitig die Gerichtsbarkeit aus und entscheiden die Streitfälle mit echt christlicher Unparteilichkeit. Die Indianer kennen sehr wohl die Pflichten praktischer Nächstenliebe. Da sie sehr wohlhabend sind – besitzen doch die 600 Pfriemenherzen nicht weniger als 590 000 Acres Land – so kommen sie für ihre Armen und Arbeitsunfähigen selbst auf. In einem Jahr trugen sie 200 Dollar zum Verein der Glaubensverbreitung und 50 Dollar zum „Verein für die Erhaltung des Glaubens unter den Indianerkindern“ bei. Außerdem bilden sie einen Zweig des Philadelphia-Tabernakel-Vereins.
„Kann man wohl“, so schließt der hochw. Herr Ganß, „ein getreueres Abbild des Urchristentums finden? Hier ist das Evangelium, die Lehre und der Geist der Kirche Leben geworden. Es ist so recht das Land des göttlichen Herzens, Gottes Heimstätte und auserwähltes Volk…
„Nicht übel charakterisierte der Häuptling den idealen Zustand der Reservation, wenn er sagte: ‚Wir gehorchen dem Schwarzrock, und wir fürchten den weißen Mann und den Teufel.‘ Der weiße Mann streift bereits an den Grenzen der Reservation, in gieriger Erwartung, dass auch dies gelobte Land dem ‚zivilisierten‘ Siedler ‚eröffnet‘ werde; der Teufel und seine Helfershelfer: der Whiskey und die Unzucht, würden dann das Übrige tun.“
Wir schließen. Man hat den Jesuiten selbst von katholischer Seite den Vorwurf gemacht, dass sie einst in ihren berühmten Reservationen von Paraguay die Indianer sorgsam von dem Verkehr mit den Weißen abschlossen und von deren verderblichem Einfluss fernhielten. Man braucht bloß die traurige Geschichte der nordamerikanischen Indianerreservationen zu studieren, um zu erkennen, wie richtig sie gehandelt. Man sehe doch nur, welche Wirkung die gewaltsamen „Eröffnungen“ der den Indianern rechtmäßig zustehenden Gebiete stets gehabt. Die Berührung der „höheren“ Rasse hat die „niedrigere“ vergiftet und aus den einst so stolzen, selbstständigen, mit so vielen natürlichen Tugenden begabten Indianern vielfach ein trunkenes, halbverkommenes, dem Tode geweihtes Bettlervolk gemacht, bei dem auch die hingebendste Missionsarbeit nur wenig mehr zu erreichen vermag.
(Aus: die katholischen Missionen, 1904)
Eine Szene, wie man sie anderswo kaum erlebt, ereignete sich beim Baseball-Spiel am Abend. Eben hatte der Schläger einen seiner „Flieger“ hoch in die Luft gesandt und zahlreiche flinke Hände richteten sich begierig empor, um ihn zu fangen, als plötzlich die Angelusglocke zu läuten begann. Sofort sanken die Hände nieder; der Ball ging ungestört seinen Weg, alle Spieler und Zuschauer aber sanken auf die Knie und beteten mit entblößten Häuptern andächtig den englischen Gruß. Die Religion geht allem anderen vor. Vor Jahren kamen einige Vertreter der nordamerikanischen Indianerkommission hierher und wohnten einer feierlichen Ratssitzung bei. Sie waren nicht wenig erstaunt, als die Rothäute mitten in der Verhandlung ohne vorhergehende Warnung wie ein Mann auf die Knie fielen und einige Zeitlang still im Gebet verharrten. Wieder war es die Angelusglocke gewesen.
Der hohe Sinn der Indianer für strenge Sittenreinheit ist beispielsweise durch folgenden ebenso wackeren als lehrreichen Zug gekennzeichnet. Einer der Halbbluts – es sind ihrer auf der ganzen Reservation höchstens ein halbes Dutzend – verließ seine rechtmäßige Frau, verschaffte sich von der weltlichen Behörde einen Scheidebrief und nahm eine andere. Die Indianer erhoben Widerspruch und erklärten dem Agenten, sie würden derartiges in ihrer Reservation nicht dulden. Der Agent machte geltend, dass das Paar in gesetzlicher Form geschieden sei und daher nicht weiter belästigt werden dürfe. Ihre Antwort lautet: „A. hat sein Eheweib verlassen und eine andere Frau genommen; unsere Kinder wissen es, sie sehen täglich das rechtmäßige Weib des A. und bemerken, dass dieser mit einer andern lebt. Wir wissen nichts von den Ehescheidungspraktiken des weißen Mannes, wir wissen nur, dass unsere Kinder dieses Ärgernis vor Augen haben, und darum müssen die Schuldigen um jeden Preis aus der Reservation fort.“ In der Tat musste das saubere Paar weichen. Und nun bedenke man, dass die Pfriemenherzen vor ca. 60 Jahren noch Heiden und hartnäckige Polygamisten waren.
Alljährlich hält der ganze Stamm gemeinsam die Novene vor Weihnachten, Ostern, Fronleichnam und dem Herz Jesu-Fest ab. Während dieser Novene siedeln sie mit Weib und Kind in ihre Hütten im Missionsdorf über und kehren erst nach Ablauf aller Andachten nach Hause zurück.
Es versteht sich von selbst, dass das Leben dieser Indianer musterhaft, ihre Sitten tadellos und ihr Beispiel ein solches ist, dass wir weißen Christen vor Scham und Verdemütigung unsere Köpfe hängen lassen müssen.
Die Häuptlinge der Pfriemenherzen üben in ihrem Stamme gleichzeitig die Gerichtsbarkeit aus und entscheiden die Streitfälle mit echt christlicher Unparteilichkeit. Die Indianer kennen sehr wohl die Pflichten praktischer Nächstenliebe. Da sie sehr wohlhabend sind – besitzen doch die 600 Pfriemenherzen nicht weniger als 590 000 Acres Land – so kommen sie für ihre Armen und Arbeitsunfähigen selbst auf. In einem Jahr trugen sie 200 Dollar zum Verein der Glaubensverbreitung und 50 Dollar zum „Verein für die Erhaltung des Glaubens unter den Indianerkindern“ bei. Außerdem bilden sie einen Zweig des Philadelphia-Tabernakel-Vereins.
„Kann man wohl“, so schließt der hochw. Herr Ganß, „ein getreueres Abbild des Urchristentums finden? Hier ist das Evangelium, die Lehre und der Geist der Kirche Leben geworden. Es ist so recht das Land des göttlichen Herzens, Gottes Heimstätte und auserwähltes Volk…
„Nicht übel charakterisierte der Häuptling den idealen Zustand der Reservation, wenn er sagte: ‚Wir gehorchen dem Schwarzrock, und wir fürchten den weißen Mann und den Teufel.‘ Der weiße Mann streift bereits an den Grenzen der Reservation, in gieriger Erwartung, dass auch dies gelobte Land dem ‚zivilisierten‘ Siedler ‚eröffnet‘ werde; der Teufel und seine Helfershelfer: der Whiskey und die Unzucht, würden dann das Übrige tun.“
Wir schließen. Man hat den Jesuiten selbst von katholischer Seite den Vorwurf gemacht, dass sie einst in ihren berühmten Reservationen von Paraguay die Indianer sorgsam von dem Verkehr mit den Weißen abschlossen und von deren verderblichem Einfluss fernhielten. Man braucht bloß die traurige Geschichte der nordamerikanischen Indianerreservationen zu studieren, um zu erkennen, wie richtig sie gehandelt. Man sehe doch nur, welche Wirkung die gewaltsamen „Eröffnungen“ der den Indianern rechtmäßig zustehenden Gebiete stets gehabt. Die Berührung der „höheren“ Rasse hat die „niedrigere“ vergiftet und aus den einst so stolzen, selbstständigen, mit so vielen natürlichen Tugenden begabten Indianern vielfach ein trunkenes, halbverkommenes, dem Tode geweihtes Bettlervolk gemacht, bei dem auch die hingebendste Missionsarbeit nur wenig mehr zu erreichen vermag.
(Aus: die katholischen Missionen, 1904)