Ich habe neulich in einem Kommentarbereich die Behauptung gelesen, in China wäre die alte Messe (oder außergewöhnliche Form, überlieferte Form, tridentinische Messe etc. etc.) jahrhundertelang auf Chinesisch gelesen worden. Ich habe diese Behauptung kurz mit einer Zusammenfassung aus dem Buch Der einheimische Klerus in den Heidenländern von Anton Huonder S.J. (Herder, 1909, mit erzbischöflicher Imprimatur) beantwortet. Hier nun ausführlich P. Huonder zur Frage des Chinesischen als liturgische Sprache. Um das Thema in seiner Gänze zu verstehen, sollten alle Teile dieser Serie gelesen werden.
(…) An die Heranbildung von jungen Chinesen in europäisch eingerichteten Seminarien war bei den noch unfertigen, schwierigen Verhältnissen nicht zu denken, und es sprachen überdies, wie weiter unten gezeigt wird, gewichtige Bedenken dagegen. Sicherer und rascher hoffte man das Ziel zu erreichen, wenn man aus der Klasse der Gelehrten schon reife, in der chinesischen Wissenschaft bewanderte und angesehene Männer für das Priestertum heranholte. Dem stand jedoch die Forderung der lateinischen Sprache und einer dementsprechenden Vorbildung entgegen. Aber hatten nicht die Päpste einst, wo es sich um die Bekehrung ganzer Nationen handelte, weitgehenden Zugeständnisse gemacht, hatten sie nicht z. B. den Slawen ihre eigene Sprache als Kirchensprache zugestanden und die kirchliche Einrichtung der nationalen Eigenart angepasst? Konnte nicht Ähnliches in China geschehen, wo es sich um die geistige Eroberung eines so mächtigen, hochstehenden Kulturvolkes handelte? An Stelle der lateinischen Kirchensprache gedachte man [d. h. die Jesuitenmissionare] also die chinesische zu setzen und dementsprechend die Ausbildung des einheimischen Klerus zu gestalten. Es war ein kühner, weitschauender Gedanken, so kühn, dass unter den Missionären selbst manche davor zurückschreckten. Nur Rom selbst konnte hier die Entscheidung geben.
Der Belgier P. Nikolaus Trigault (Trigautius) übernahm es, im Auftrag des Misssionsobern P. Longobardi (P. Ricci war am 11. Mai 1610 gestorben), diese und andere Fragen und Zweifel dem Heiligen Stuhl vorzulegen. Der Papst, das war im Wesentlichen der Inhalt der Paul V. vorgelegten Denkschrift, möge gestatten, dass die Heilige Schrift, das römische Missale, Rituale und Brevier ins Chinesische übersetzt und diese Sprache von den Chinesen beim Gottesdienst und bei Spendung der Sakramente gebraucht würde. Nur durch dieses Zugeständnis sei die Schaffung eines einheimischen Klerus zu erwarten. Ein solcher sei aber unentbehrlich und würde allein die Mission erhalten, auch für den Fall, dass eine blutige Verfolgung ähnlich wie in Japan sämtliche Missionäre hinwegraffen würde (ut etiam si Europaei sacerdotes martyrio omnes afficerentur, se ipsa [missio] stare possit).
Das ungewöhnliche Gesuch wurde in einer Sitzung der Kongregation der Riten und der Inquisition vom 16. März 1615 unter dem Vorsitz des Kardinals Bellarmin befürwortet und durch ein Breve des Papstes (Romanae sedis antistes) vom 27. Juni desselben Jahres bestätigt. Indessen sollten die heiligen Texte nicht in die gewöhnliche Volkssprache, sondern in die Gelehrtensprache übertragen werden, die im ganzen Reich das größte Ansehen genoss, dem Wechsel nicht so ausgesetzt stand wie die Volkssprache und bloß den Gebildeten ganz geläufig, den übrigen aber immerhin soweit zugänglich war, dass wenigstens die gewöhnlichen Gebete und Gebetsformeln wie das Kyrie, Gloria, das Paternoster, Agnus Dei usw. leicht verstanden werden konnten.
Fortsetzung folgt...