(...) Ein weiteres Mittel, welches zugleich das Ansehen der katholischen Religion bei den Andersgläubigen hebt, ist die prunkvolle Begehung der kirchlichen Feste, worunter die Fronleichnamsprozession die erste Stelle einnimmt.
Schon eine Woche zuvor beginnen die Vorarbeiten zur Herrichtung der Altäre. Die Tahitier besitzen ein merkwürdiges Geschick, Kirche und Straßen festlich zu schmücken.
Mit einer Kleinigkeit, etwas Baumrinde, einigen Palmblättern oder Pflanzenfasern führen sie die eigenartigsten und zartesten Motive und Dekorationen aus. Dabei kommt ihnen der Blumenreichtum ihres Landes gut zu statten.
Aus nah und fern haben sich bereits am Vorabend ganze Scharen von Gläubigen um den Thron des Bischofs versammelt, um den Segen zu empfangen. Um 8 Uhr morgens ist feierliches Pontifikalamt.
Nachmittags verkündet die Glocke den Beginn der Prozession. Die Blechmusik spielt einen Festmarsch, langsam und feierlich, die Eingebornen antworten mit einer brausenden Jubelhymne. Mit wehenden Fähnlein und Flaggen eröffnen die Zöglinge der Schulbrüder von Ploërmel und der Schwestern von Cluny die Prozession. Ihnen folgen die Gläubigen, Gemeinde für Gemeinde, jede mit ihrem Katechisten als Kreuzträger an der Spitze. Ihre Gesänge zu Ehren des heiligen Sakraments wecken das Echo der Berge. Unmittelbar vor dem Baldachin schwingen zwölf Knaben ihre Weihrauchfässer, und zahlreiche Blumenträger streuen dem Heiland die schönsten Gaben der Inselwelt.
Der Apostol. Vikar, angetan mit den reichsten Gewändern, trägt das Allerheiligste.
Ganz Papeete, ohne Unterschied der Konfession, nimmt an der Feier teil und folgt in würdiger Haltung der heiligen Handlung, voll Bewunderung für den majestätischen Kult der katholischen Kirche. Die [protestantischen] Prediger natürlich knirschen über diese öffentliche Ehrung der katholischen Religion, die ihnen als verabscheuungswürdiger Götzendienst vorkommt. Doch vermögen sie nichts dagegen, da die Prozession sich auf dem Gebiet der Mission bewegt.
Der Gouverneur ist ein sehr gutgesinnter Mann und der größte Teil der Protestanten bringt den katholischen Priestern Achtung und Vertrauen entgegen. Sind sie in Verlegenheit, so kommen sie gleich zum katholischen Missionar, ihn um Rat zu bitten.
Viele möchten katholisch werden, aber Menschenfurcht bei den einen, Vorurteile bei den andern und andere Ursachen halten sie vom letzten Schritt ab.
Die Gesinnung mancher Andersgläubiger kleidete ein Protestant in die Worte:
„Ihr Patres erklärt wenigstens eure Lehre; unsere Prediger dagegen schmähen nur die katholische Kirche, sagen uns aber nichts über den Ursprung, die Grundwahrheiten und den Zusammenhang unserer Religion.“
Mehrere Protestanten sind indes in der letzten Zeit zur Kirche übergetreten; andere bereiten sich vor.
Dieser rege Eifer der Katholiken hat natürlich neue Machenschaften der Prediger zur Folge. Sie arbeiten beständig beim französischen Ministerium darauf hin, die Ausweisung der Missionare zu erwirken. Nicht bei der tahitischen Regierung, sondern in Paris sehen die katholischen Missionare die Gefahr.
(Aus: die katholischen Missionen, 1904)